von Prim. Univ.-Doz. Dr. Peter Sandbichler
Das in den Medien vieldiskutierte Arbeitszeitgesetz für angestellte Ärzte, das schon vor Jahren beschlossen wurde, soll nun schrittweise umgesetzt werden. Dabei ist grundsätzlich anzumerken, dass eine maximale Wochenarbeitszeit von 48 Stunden eine für jeden nachvollziehbare Grenze darstellt. Übermüdete Ärzte machen ja schließlich Fehler.
In der Praxis allerdings wird sich im Krankenhausalltag ein völlig anderes Bild ergeben.
Um dieses Modell umsetzen zu können, wird man zwangsläufig mehr Ärzte einstellen müssen. Der einzelne Arzt/die einzelne Ärztin wird dabei durch die Verkürzung der Arbeitszeit naturgemäß bis zu einem Drittel weniger verdienen.
In den nächsten Jahren werden viele Mediziner aus der Babyboomgeneration in Pension gehen und bereits jetzt zeichnet sich ein bedenklicher Ärztemangel ab. Das heißt, dass in vielen Fällen die für die Durchsetzung des Arbeitszeitgesetzes notwendigen zusätzlichen Ärzte schlicht nicht vorhanden sind. Durch fragwürdige Aufnahmetests zum Medizinstudium und die bereits angekündigte Abschaffung der Ausländerquote wird die Situation noch verschärft.
Was wird passieren:
Man wird das schmale Grundgehalt der Ärzte erhöhen müssen, da ihnen die Möglichkeit genommen wird, durch notwendige Überstunden und Nachtdienste ihr Gehalt aufzubessern.
Die Ausbildung der Assistenten wird sich insbesondere in chirurgischen Fächern deutlich verlängern, da es unmöglich ist, in der zur Verfügung stehenden Arbeitszeit die im Rahmen der Facharztausbildung notwendigen Inhalte zu vermitteln (wenn ein Arzt zwei Nachtdienste in der 7-Tage (!) Woche macht, ist die Wochenarbeitszeit bereits erschöpft). In EU-Ländern, die bereits dieses System haben, wird im Rahmen der Ausbildung stillschweigend erwartet, dass Assistenten deutlich mehr Zeit für ihre Ausbildung aufwenden, allerdings ohne die Möglichkeit dafür finanziell entschädigt zu werden.
Durch den voraussehbaren Mangel insbesondere an ausgebildeten Fachärzten wird es an vielen Krankenhäusern zu Problemen in der Besetzung der Anwesenheitsdienste kommen (24 Stunden täglich, 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr). Das bedeutet, dass vielfach die Versorgungsqualität nicht mehr im gewohnten Maß aufrechterhalten werden kann, kleinere Krankenhäuser über kurz oder lang verschwinden werden und das Leistungangebot in der Breite verringert werden muss.
Es wird zu einer Zentralisierung kommen, was zwangsläufig mit erhöhten Wartezeiten für die Patienten einhergehen muss.
Die Kontinuität in der Versorgung der Patienten wird nicht mehr möglich sein – ist doch bereits heute der häufigste Beschwerdepunkt: „Ich sehe jedesmal einen anderen Arzt!“ Die Zufriedenheit der Patienten, aber auch der Ärzte wird sinken, da ein individualisiertes Feedback der eigenen Arbeit nicht mehr möglich ist. Das Prinzip der Verantwortung für den Patienten, den man behandelt, wird dadurch mehr als in Frage gestellt.
Vermutlich muss das System erst kollabieren, bevor man bereit ist über andere Wege nachzudenken