SCHWERE INFEKTIONEN UND DEMENZERKRANKUNG

von Prim. Univ. Prof. Dr. Walter Hasibeder

Demenzerkrankungen nehmen in der westlichen Welt sprunghaft zu und der Anteil dementer Mitbürger und Mitbürgerinnen wird sich in den nächsten Jahrzehnten verdreifachen. Die ökonomischen Auswirkungen auf die Gesundheitssysteme sind enorm. Forschungsergebnisse der letzten Jahre zeigen, dass Demenzerkrankungen mit entzündlichen Veränderungen im Gehirn einhergehen, die zur fortschreitenden Zerstörung neuronaler Verbindungen und zum Untergang von Nervenzellen (Neuronen) führen. Dieser fortschreitende Verlust an Neuronen und ihrer Verbindungen reduziert unsere geistigen Fähigkeiten und beraubt uns unserer Erinnerungen. Im Endstadium dieser Erkrankungen ist auch die Steuerung wichtiger Körperfunktionen wie z.B. des Verdauungstraktes betroffen, so dass der Tod meist oft als Folge dieses Steuerungsverlustes eintritt. Sowohl tierexperimentelle Untersuchungen der letzten Jahr als auch Beobachtungen am Menschen vermuten einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten schwerer systemischer Infektionen und dem frühzeitigen Beginn oder raschen Fortschreiten einer Demenzerkrankung.

In einer jüngst publizierten Verlaufsbeobachtungsstudie an einem größeren Patientenkollektiv wurde von Tate und Mitarbeitern erstmals ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten einer schweren Lungenentzündung und dem vorzeitigen Beginn einer Demenzerkrankung beschrieben. Die in der Studie untersuchten Patienten (3069 Teilnehmer) waren im Durchschnitt 78,6 Jahre alt. 217 Patienten entwickelten während des Beobachtungszeitraums eine Lungenentzündung und mussten in Krankenhäusern behandelt werden. Bei diesen Patienten war das Risiko vorzeitig an Demenz zu erkranken doppelt so hoch wie in der Vergleichsgruppe ohne schwere Infektion. Auch nach Berücksichtigung des Geschlechts der Patienten und aller bekannten Risikofaktoren für das Auftreten einer Demenz bleibt die Entwicklung einer schweren Lungenentzündung ein unabhängiger Risikofaktor. Interessant in dieser Studie war auch die Geschwindigkeit, mit der nach einer schweren Lungenentzündung eine Demenzerkrankung diagnostiziert wurde. Bei zirka der Hälfte aller betroffenen Patienten trat die Demenzerkrankung innerhalb von zwei Jahren nach dem Überleben der schweren Infektion auf!

Wir wissen, dass der Entwicklung einer Demenzerkrankung ein Zeitraum von vielen Jahren vorausgeht, in dem man mit verschiedenen sensiblen Messmethoden bereits subtile Schädigungen des zentralen Nervensystems durch entzündliche Veränderungen im Gewebe nachweisen kann. Es ist nicht anzunehmen, dass schwere Infektionskrankheiten eine Demenzerkrankung direkt auslösen, aber aufgrund der vorliegenden Studien wird es immer wahrscheinlicher, dass der klinische Verlauf, d.h. das Fortschreiten der Erkrankung, durch schwere systemische Infektionskrankheiten ganz erheblich beschleunigt werden kann. Schon aus diesem Grund erscheint es uns wichtig die Öffentlichkeit auf die Folgeerkrankungen von schweren Infektionen wie zB. einer Lungenentzündung und deren massive und z.T. irreversiblen Auswirkungen auf die Gesundheit immer wieder hinzuweisen!

Quelle: Tate JA, Snitz BE, Alvarez KA, et al. Infection hospitalization increases risk of dementia in the elderly, Crit Care Med 2014;42:1037-1046

Comments are closed.