IST ÜBERGEWICHT EIN UNABHÄNGIGES RISIKO VORZEITIG ZU STERBEN?

von Prim. Univ. Doz. Dr. Peter Sandbichler

In einer kürzlich erschienenen, großen epidemiologischen Studie mit 940.000 Teilnehmern wurde erstmals ein klarer Zusammenhang zwischen vorzeitigem Tod und erhöhtem Körpergewicht unabhängig von zusätzlichen Risikofaktoren wie z.B. Diabetes, Rauchen nachgewiesen. Dieser Zusammenhang wurde besonders bei Menschen mit einem Alter unter 70 Jahren beobachtet. Die TeilnehmerInnen der Untersuchung wurden insgesamt 28 Jahre lang verfolgt und dieser Zeit verstarben 453.102 Menschen. Obwohl Rauchen und Zusatzerkrankungen wie z.B. eine gleichzeitig bestehende Zuckerkrankheit einen deutlichen Effekt auf das Sterberisiko beim Übergewichtigen aufwiesen, zeigt die Studie klar, dass Übergewicht verglichen mit einem Referenzwert, Body Mass Index (BMI) von 22,5-24,9 kg/m2, auch ohne zusätzliche Risikofaktoren mit erhöhter Sterblichkeit einhergeht.

Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang der Einfluss von massivem Übergewicht (BMI 40-59 kg/m2) auf die Sterberate. In einer weiteren Studie wurden Daten aus insgesamt 20 prospektiven Amerikanischen Untersuchungen extrahiert und gemeinsam analysiert. In eine Adipositasgruppe mit massivem Übergewicht (= Klasse III Adipositas) wurden initial nur Nichtraucher ohne zusätzliche Begleiterkrankungen eingeschlossen. Als Kontrollgruppe fungierten gesunde Nichtraucher mit einem BMI von 18,5-24,9 kg/m2. In der Adipositasgruppe wurden über einen Zeitraum von 33 Jahren mehr Todesfälle durch Herzkreislauferkrankungen, bösartige Tumore, Komplikationen der Zuckerkrankheit, Nierenerkrankungen, Schlaganfälle, Infektionen der Lungen, Unfälle und schwere systemische Infektionen (= Sepsis) beobachtet. Erwähnenswert ist auch, dass der bereits wiederholt nachgewiesenen Zusammenhang zwischen vermehrter Anfälligkeit des adipösen Patienten/der Patientin gegenüber Grippeviren und eine erhöhte Grippemortalität erneut gezeigt werden konnte.

Auch die Frage des Einflusses massiven Übergewichts auf die Lebenszeit wurde in dieser Studie statistisch aufgearbeitet. Im Durchschnitt wird die Lebensdauer bei einem BMI von 40-44,9 kg/m2 um 6,5 Jahre, bei einem BMI von 45-49,9 kg/m2 um 8,9 Jahre, bei einem BMI 50-54,9 kg/m2 um 9,8 Jahre und bei einem BMI zwischen 55-59,9 kg/m2 um 13,7 Jahre verkürzt. Diese Studie zeigt ganz deutlich die dramatischen Auswirkungen massiven Übergewichts auf die Lebenserwartung.

In Österreich sind derzeit, laut Daten der Statistik Austria, mehr als die Hälfte der männlichen Bevölkerung als übergewichtig (ca. 43%) oder als adipös (12%) zu bezeichnen. Bei den Frauen sind etwas weniger übergewichtig (29%), der Anteil adipöser Frauen ist jedoch geringfügig größer (13%) als bei den Männern. In absoluten Zahlen sind damit in Österreich 860.000 Menschen ab 15 Jahren fettleibig (Männer: 400.000, Frauen 460.000). Besonders alarmierend ist, dass immer mehr Kinder davon betroffen sind.

Die massiv ansteigenden Zahlen der adipösen Patienten verlangt, unserer Meinung nach, rasches politisches Handeln wobei hier nicht nur die Gesundheitspolitik sondern ein gut abgestimmtes gesamtpolitisches Konzept über alle Ministerien hinweg notwendig sein wird! So ließe sich eine tägliche, verpflichtende Turnunterrichtsstunde und ein Unterrichtsprogramm mit Schwerpunktthema gesunde Ernährung und Erkrankungsprävention wahrscheinlich rasch Österreichweit umsetzen. Regelmäßige Sportwochen sollten, unserer Meinung nach, in allen Schulen verpflichtend durchgeführt werden und die Teilnahme von Kindern finanziell schlecht gestellter Familien entsprechend subventioniert werden. In Skisportregionen sollten besonders attraktive Familienangebote wieder mehr Kinder und Jugendliche zu Wintersportaktivitäten verleiten. Ebenso ist eine gezielte, öffentliche Förderung von Sportvereinen mit besonderem Engagement im Kinder- und Jugendsport erstrebenswert. Gesundheits- und Gesellschaftspolitisch müssen wir uns aber auch mit anderen Themen auseinandersetzten, die den derzeit geltenden Regeln des Neoliberalismus völlig widersprechen. Fragen wie z.B. wie viele “Fastfood” Restaurants kann eine Österreichische Stadt, ein Bezirk, ein Bundesland gesundheitspolitisch verkraften? Inwieweit können wir den übermäßigen Verzehr potentiell gesundheitsschädlicher Nahrungsmittel durch entsprechende Besteuerung beeinflussen? Und wie machen wir “gesunde” Nahrungsmittel für alle MitbürgerInnen finanziell erschwinglich?

Literatur:

1) Patel AV., Hildebrand JS., Gapstur SM. Body mass index and all-cause mortality in a large prospective cohort of white and black U.S. adults. PLOS one 2014;9:e109153

2) Kitahara CM, Flint AJ, Gonzalez AB, et al. Association between class III obesity (BMI of 40-59 kg/m2) and mortality: A pooled analysis of 20 prospective studies. PLOS one 2014; 11:e1001673

Anmerkungen des Verfassers: Von Fettleibigkeit (Adipositas) spricht man bei einem Body Mass Index (BMI = Körpergewicht in kg, geteilt durch die Körpergröße in Meter zum Quadrat) über 30, krankhaft ist die Fettleibigkeit ab einem BMI von 40.

Einteilung der Gewichtigkeit nach BMI:

Untergewicht: < 20
Normalgewicht: 20,0 – 24,9
Übergewicht: 25,0 – 29,9
Adipositas Grad I: 30,0 – 34,9
Adipositas Grad II: 35,0 – 39,9
Adipositas Grad III: > 40

In der internationalen Rangliste der Fettleibigkeit belegt Österreich bereits Platz sechs – nach Griechenland, USA, Großbritannien, Deutschland und Finnland.

Für weitere Fragen oder ein Beratungsgespräch steht ihnen unsere Adipositasambulanz am Dienstag in der Zeit von 13 – 16.00 Uhr gerne zu Verfügung. Wir bieten im Rahmen unserer Ambulanz auch Ernährungsberatung wie auch Körperfettmessungen an.
Sie erreichen uns unter der Telefonnr. 05442 600 7210

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